RIESS, Erwin

KRÜPPELGESPRÄCHE ODER GOTT ZEIGT FLAGGE

Groll, ein Berufsunfähigkeitspensionist und Rollstuhlfahrer, hat beschlossen, sich durch seine Behinderung in keiner Weise behindern zu lassen. Der nichtbehinderte Soziologe Tritt, auch „der Dozent“ genannt, begleitet Groll. Er hofft, durch ihn Material für eine soziologische Studie zu erhalten.

In mehreren Dramoletten rollen Episoden aus dem Leben behinderter Menschen ab. Groll besucht Golfplätze, lotst Donauschiffe in Untiefen, inspiziert Behindertentoiletten in Manhattan. Er begründet die Sinologie, die Wissenschaft vom Werden und Verfall ländlicher Großspeicher, behauptet sich bei Pflüger-Wettkämpfer und entwickelt Theorien über den Untergang der Sieben Tiger. Er schreckt nicht  einmal vor dem Besuch einer städtischen Bücherei zurück. Ob er in einer Kneipe am Alexanderplatz die deutsche Vereinigung aus der Sicht eines Behinderten aufrollt oder ob er in einem Wiener Gemeindebau soziologische Studien über die Chancen der kubanischen Revolution betreibt; ob er in leidenschaftlichen Ausbrüchen seine Vaterstadt und ihre verheerende Hundeliebe attackiert oder ob er den Dozenten in das neue Europa entführt; stets erteilt er dem ebenso hilfsbereiten wie hilflosen Soziologen eine Lehre.

Mit sarkastischem Witz wird das Leben eines Menschen vorgeführt, der in seiner Behinderung auch eine große Chance sieht. Die dramaturgische Komik der Szenen und ein vor nichts haltmachender Wortwitz wischen Vorurteile und Berührungsängste beiseite. Groll und Tritt sind Fremdenführer in eine fremde Welt, die umso exotischer wirkt, je alltäglicher die Ausgangsposition ist.

0 D    2 H

Sprechtheater - Schauspiel

Besetzungshinweis: Statisten