FODOR, Ladislaus

MATURA

Ins Schulmilieu ängstlich behüteter Moralvorstellungen führt diese Melange aus Groteske und Nachdenklichkeit. Das Professorenkollegium des Döblinger Mädchengymnasiums droht an der Thematik Jugendsexualität vollends zu scheitern, als im Abfalleimer der achten Klasse der sinnlich-poetische Liebesbrief der 19-jährigen Käthe Seidl gefunden wird.
Nach acht Jahren humanistischer Bildung, die den weiblichen Zöglingen dieser angesehenen Bildungsanstalt wie Nektar eingeflößt wird, muss von den höheren Töchtern verlangt werden, dass sie nach der Reifeprüfung nicht nur die Süße homerscher Weltsicht und ovidscher Verse mit hinaus ins Gesellschaftsleben nehmen. Man erwartet vielmehr körperlich und geistig wohltrainierte Wesen, für die das Wort „Sexualität“ etwas Außerirdisches zu sein hat. Von einem amourösen Abenteuer zu schwärmen, das noch dazu auf einem Schulausflug in den Wäldern von Hütteldorf stattgefunden haben soll, stört die Professoren ganz entschieden.
Unter Tränen gesteht Käthe dem Direktor, der sie mit der Strange eines Untersuchungsrichters verhört, dass kein geringerer als er selbst Held dieser Traumvorstellungen einer Verliebten sei, dass überhaupt alle Mädchen der Achten für ihn schwärmten und die Liebesszene nichts als Liebespoesie sei.
Zwischen Mannesstolz und seiner Aufgabe als Hüter schulischer Autorität schwankend, beruft der Direktor eine Lehrerkonferenz ein, bei der sich die Professoren gehörig in die Haare kriegen. Der Direktor, der, längst auf Käthes Seite, diese Konferenz nur zum Schein einberufen musste, setzt sich schließlich durch. Man einigt sich auf eine Verwarnung, die Käthe Seidl ein Antreten zur Matura ermöglicht. Nach erfolgreich abgelegter Reifeprüfung gesteht der Direktor Käthe auch seine Liebe. Jetzt, da sie keine Schülerin, sondern Fräulein Seidl sei, stünde einer Verbindung nichts mehr im Wege. Doch der selbstsicherere Herr verkennt die Lage.
Als erster Gratulant überreicht ein junger Mann Käthe einen Strauß Blumen. Die beiden sind seit einem Jahr verlobt und werden in drei Wochen heiraten. Käthe wusste offenbar schon lange vor ihrer mtlich bestätigten Reife, wie man sogar altgediente Casanovas wie den Herrn Schuldirektor täuscht. Die verführerische Poesie im Walde war demnach nicht fiktiv.
Verblüfft muss der Schulleiter bekennen, dass seine persönliche Reife heute zum zweiten Mal überprüft wurde. Von einer Benotung derselben wird er wohlweislich Abstand nehmen.

8 D    7 H

Sprechtheater - Schauspiel

Uraufführung: 1934 WIEN THEATER IN DER JOSEFSTADT

Dekorationen: 1

Werkangaben: LUSTSPIEL IN DREI AKTEN