RETTBERG, Rolf

PICKELTAUBEN

Eine Verskomödie frei nach Wilhelm Hauff’s „Der junge Lord“

Es ist die Zeit am Ende der sogenannten Befreiungskriege, 1813 – 1815, die Wieselianer, bis vor wenigen Monaten von den neapolionischen TrupPen besetzt, sind endlich wieder frei. Die Wirtin des Gasthauses „Zum Berliner Bären“ tauscht den Gallischen Hahn über der Tür ihres Hauses gegen den BerLiner Bären aus.

Sie ist wohl die ge-wichtigst Frau in der Ortschaft. Die Honoratioren sind der Apotheker, der Pfarrer, der Schullehrer und der Bürgermeister. Aufruhr auf dem Marktplatz: ein Fremder ist im Haus gegenüber eingezogen. Er zeigt sich nicht, hält seine Tür verschlossen – er bietet der kleinbürgerlichen Neugier unendliche Nahrung. Die Phantasie geht mit den Bürgern durch: „Hat er die Pest?“ ... „Sein Paß war abgestempelt, aber sein Gesicht!“...

Ein Wanderzirkus mit Jongleuren, Artisten, einem Clown und einem großen Orang-Utan gastiert in der Stadt und verbreitet gruselige Anziehungskraft.

Der Fremde fühlt sich durch den Lärm gestört – alle Anbiederung weit er zurück. „Warum habt ihr euch sehnsuchtsvoll dem Fremden angebiedert, wenn’s Fremde eure Sehnsucht nicht erwidert ... Könnt ihr’s nur mieten oder hassen und niemals einfach fremd sein lassen.“

Niemand bemerkt, dass sich der Fremde in der Nacht dem abziehenden Wanderzirkus anschließt. Zum erstenmal tauchen zwei weiße Pickelhauben tragende Tauben auf. Der Fremde kommt mit einem Begleiter zurück und wird von den „Preußischen Tauben„ gestellt. Sie kommentieren von un an vom Dach das Geschehen auf dem Marktplatz.

Seit dieser Nacht hört man aus dem Hause des Fremden immer wieder grässliche Schreie, die sich niemand erklären kann. An einem heiteren Frühlingstag führt der Fremde den „Prokonsul“ vor, wie der gemeinsame Vorfahre von Mensch und Affen bezeichnet wird. Der Prokonsul wird als Engländer „erkannt“ und ist von nun an der erklärte Liebling des Ortes. Sie halten ihn für einen jungen Diplomaten. Offenbar hat der junge Mann immer wieder schreckliche Anfälle, die nur durch das Festziehen der Halsbinde gebessert werden können.

Der Prokonsul wird zum Zeitgeist-Vorbild der jungen Leute, er kann Trompeten spielen, improvisieren, die neuesten Tänze – mit einem Wort, die weibliche Dorfjugend steht Kopf.

Als sich der ungebärdige junge Engländer die Kleider vom Leib reißt, wird ein Affe sichtbar. Er verliert jede menschliche Disziplin und erschlägt mit dem Rohrstock den Lehrer Lämpel. Eine Matrone ist alleine durch den Anblick des nackten Affen vom Schlag getroffen. Aber auch der Apotheker hat daran glauben müssen. Als der Affe die Marseillaise auf der Tompete erklingen lässt, kommen aus den verschiedensten

Richtungen Orang-Utans auf den Marktplatz und zerlegen Grünwiesel in seine Bestandteile. Das Zerstörungswerk verursacht apokalyptische Betroffenheit. Sogar die „preußischen Tauben“ verlassen den Ort. Am Ende demaskieren sich die Orang-Utans – sie sind bis auf den Prokonsul die Mitglieder des Wanderzirkus. Der Fremde tritt aus der Hausruine, er ist zur Abreise bereit. Er hat gezeigt, wie verführbar und wie leicht zu täuschen die Menschen sind. Als er sich zum Gehen wendet, spaltet ihm jedoch der Affe mit einer Axt den Schädel

4 D    8 H

Sprechtheater - Schauspiel

Besetzungshinweis: 4 D, 8 H, STAT, 1 DEK