PALM, Reinhard

ALBIS

Kobolde, Irrlichter, Werwölfe... lebende Steine, sprechende Bäume, heilende Quellen... wandelnde Skelette, fliessende Körper, verschlüsselte Stimmen... wer sie nicht selbst erlebt hat, kennt sie aus der Geisterbahn, aus Träumen, Filmen und Büchern. Und wenn schon nicht als tiefste Erfahrungen der langen Geschichte des Lebens, so können sie zumindest als lebendige Erinnerungen an keltische und vorkeltische Vergangenheit gelten. Kräuter, Beschwörungsformeln und Befragung der Sterne mögen als Überbleibsel alten Glaubens und heidnischer Riten abgetan werden, aber den 1. Mai feiern wir immer noch, da war das Beltene-Fest zur Erneuerung des Lebens und der Sonne; und sechs Monate später, am 1. November, verehrte der Kult der Nacht und des Todes die Unsterblichkeit der Seelen, Samhain, woraus das Fest aller Seelen und Heiligen wurde. Allerseelen, Allerheiligen. Im Jahr 802 klagte Karl der Grosse darüber, dass in seinem Reich immer noch Bäume, Felsen, Quellen angebetet und Zauberer und Wahrsager zu Rate gezogen werden. Seitdem sind zwölf Jahrhunderte vergangen. Er würde heute nicht weniger klagen. Vielleicht sogar mehr.

4 D    7 H

Sprechtheater - Schauspiel