CSOKOR, Franz Theodor

BESETZTES GEBIET

Dieses Stück ist deshalb von eminent wichtiger historischer Bedeutung, weil es nicht rückblickend, sondern bar jeder Tendenz einfach aus der Vorahnung eines Dichters im Jahre 1930 geschrieben worden ist.

Thema ist die Verwirrtheit politischer Orientierung des Einzelnen, Csokors Anliegen, das Unterbewusstsein des Zeitgeistes zu schildern.

Historischer Hintergrund ist die Abwehrsituation der Deutschen im Jahre 1923 nach der französischen Besetzung des Ruhrgebietes – auf die die Arbeiter in den Fabriken mit Arbeitsverweigerung reagierten – die von den Franzosen schwerst geahndet und von der Deutschen Regierung durch heimliche Ausbezahlungen weiterer Gehälter unterstützt worden ist.

Voraussetzung für die Personengestaltung ist eine historische authentische „nationalistische Partisanengruppe“ (wie Csokor sie selbst bezeichnet), die sich um die willkürliche Erschießung Rathenaus gebildet hat.

An der Spitze steht Schlern – beängstigend in seiner jugendlichen Propagierung eines idealistischen fundierten Terrorismus – beängstigend, weil seine Vorstellungen akzeptiert – und am Ende die Gefühlswelt einer Menschenmasse bis zur absoluten Bereitschaft zu töten mobilisiert.

„Die Gefahr für den Menschen ist die Idee!“ – „Denn selbstverständlich entspringt die Beschäftigung mit der Idee, die das Leben gefährdet, einem metaphysischen Bedürfnis der Menschen“ (schreibt Csokor in einem Brief an Ferdinand Bruckner).

Auslösend für den Siegeszug Schlerns wird die blitzschnelle Entfernung der französischen Trikolore während einer Massenveranstaltung in einer Fabrik, auf die durch die Reaktion französischer Maschinengewehre zehn Tote zurückbleiben.

Die Gruppe Schlern beschließt darauf die Vernichtung jedes Deutschen, der sich nicht total dem Hass gegenüber den Franzosen anschließt.
Leroux lässt sich u.a. aus einer homoerotischen Beziehung zu seinem Kameraden Bansius zur Ermordung Maltes hinreißen, eines politisch desinteressierten Musikers, der sich erlaubt, vor Franzosen zu spielen.
Leroux gerät in eine Panik des Angewidertseins vor dem Zynismus idealistischer Rohheit – „das ist eure Liebe – ihr Deutschen! Nur immer befehlen! Befehlen ins Amt! Befehlen ins Bett! Befehlen ins Feld!“
Leroux ist auch der Anfang des Aufbegehrens in der Gruppe Schlern, die schließlich aus der Barbarisierung totaler Befreiungsvorstellungen, an dem aus den Fugen geratenen Idealismus zerbricht.

Monk ist als Bürgermeister der eigentliche Gegenspieler Schlerns innerhalb der Deutschen, nach der politisch völlig unsinnigen Ermordung Maltes wittert er die Gefahr der terroristischen Methoden Schlerns, in seiner Friedens- und Vermittlungspolitik verliert Monk den Kampf gegen Schlern, weil er bis zuletzt den Landesgenossen nicht der fremden Besetzungsmacht ausliefern will und für die Idee der übernationalen Menschlichkeit gewinnen will; während Monk Schlern beinahe für sich gewonnen hat und ihm die Möglichkeit zur Flucht anbietet, erscheint blutend der Jude Korn, der von der versammelten Menge zusammengeschlagen worden ist.

Schlern folgt dem von ihm entfesselten Hass der Menge, stellt sich bewusst der Hinrichtung durch die Franzosen und setzt sich damit als Märtyrer an die Spitze der Bewegung, die den für Schlerns Tod verantwortlichen Monk fordert und lyncht.

4 D    14 H

Sprechtheater - Schauspiel

Dekorationen: 3