DAS EINE LEBEN IM ANDEREN (=VERWANDLUNGEN EINES FLANEURS)
1. Schauplatz:
Triest als Ort der Konzentration europäischer Geschichten und Mythen.
Szene ist ein Platz am Hafen, gesäumt an drei Seiten von Bar, Hotel, Palazzo, die vierte Seite offen zum Kai; an den Molen Schiffe und Yachten; das metallische Klingeln ihrer Riggs im Wind.
2. Die Zeit:
Simultan einige Sommertage der Jahre 1914 und etwa 1990.
Zugleich: die Zeitspanne vom Beginn des Alarms auf einem Flugzeugträger – der im Hintergrund die Bucht beherrscht – bis zum Start seiner Flugzeuge.
Oder: Der Zeitraum, den der altgewordene Flaneur, der als Regisseur hier seinen (letzten) Film inszeniert, zum Casting seiner Darsteller benötigt.
3. Personen / Handlungsstrukturen:
Der Regisseur ist zentrale Figur; er tritt in mehreren Identitäten auf: 1914 ist er der – historische – Kommandant des Unterseebootes U12 Leutnant L.; 1990 – als dessen Sohn – der Filmregisseur, der für den Film die Darstellerinnen von Frauen seines Lebens auswählt.
Leutnant L., Flaneur zwischen Triest und dem Marinekasino in Pola beginnt ein (historisch verifiziertes) Verhältnis mit der Fürstin Windisch Graetz.
Als Metamorphosen des Flaneurs treten auf die Herren Gabriele d’Annunzio, Giacomo Casanova, James Joyce, Italo Svevo.
D’Annunzio entwickelt in schwülstigen Phrasen sein Frauenbild, wird von der Fürstin abgewiesen, beginnt seine irredentistischen Reden gegen Österreich.
Casanova, mit 47 Jahren nach Triest gekommen – in einem Alter, in dem, wie er sagt, das Glück einem Mann wie ihm nicht mehr günstig gesinnt ist, begegnet hier seiner früheren Geliebten Henriette, erzählt von seinem europaweiten Flaneurtum aus 3 Jahrzehnten.
James Joyce ist eifersüchtig auf seine Gefährtin und zugleich fasziniert vom Gedanken, sie einem Freund auszuliefern.
Italo Svevo setzt seiner Frau mit perfider Eifersucht zu.
Der Krieg wird erklärt; der Leutnant begibt sich an Bord von U12; d’Annunzio im Doppeldecker über Triest wirft Propagandamaterial ab.
Eine Pensionärin, vom Vater bedrängt, zum Regisseur sich flüchtend, wird von diesem enttäuscht.
Der Leutnant fällt beim Versuch, mit U12 in den Kriegshafen von Venedig einzudringen (12.08.1915).
Die Fürstin wartet auf seine Rückkehr im Hafen.
Der Sohn des Regisseurs, politischer Aktivist, fällt bei einer Aktion gegen den Flugzeugträger.
Das Casting ist beendet.
Die Jets des Flugzeugträgers starten zum Einsatz.
4. Konzeption:
In seinem Bewusstsein verbindet der Flaneur Fragmente seiner Welt und seines Lebens zur persönlichen Collage; er ist heute, gestern und morgen zugleich, schwebt zwischen rasch wechselnden Zeiten und Identitäten, lebt simultan mehrere Alternativen.
„DAS EINE LEBEN IM ANDEREN“ – kein „realistisches“ Sprachstück, sondern rhythmisch geschnittene Bilder und Szenen, europäische Geschichten und Figuren, die Themen Liebe, Eifersucht, Begehren, Trennung. Reden und Handlungen der historischen Personen des Stücks sind abgeleitet aus ihren Biographien, Korrespondenzen und ihren Werken, bestehen in der Regel nicht aus wörtlichen Zitaten, sondern sind eine Konzentration ihrer Sprache und somit tendenziell wirklicher als die Wirklichkeit.
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Sprechtheater - Schauspiel