DIE MENSCHENFABRIK
Das Grazer Reisebüro „Columbia“ wirbt für ein Schloßhotel in Südfrankreich mit Schlagwörtern wie „auf letztem technischem Stand, ausgesuchtes Publikum“. Das Grazer Ehepaar Fritz und Gunda Fraggern – er ist Universitätsprofessor und sie hat etwas mit Kunst zu tun – macht sich in der Hoffnung auf einen entspannenden Sommerurlaub auf die Reise. Außerdem wollen sie in besagtem Schloßhotel auf den mit ihnen befreundeten Grazer Dichter Ulf von Langzeit treffen.
Bei seiner Ankunft widerfährt dem Ehepaar jedoch Ungewöhnliches. Die nicht besetzte Rezeption kümmert sie nur kurz, weil sie gleich darauf einen menschlichen Rumpf finden. Eine große Spiegelwand entpuppt sich als Videowall, auf dem das verschreckte Ehepaar sich selbst beim Gespräch über diesen grausigen Fund bestaunen kann. Als auch noch ein menschengroßes Ohr auf Zehenspitzen durch die Eingangshalle schleicht, um sich ins nächstgelegene Bistro abzusetzen, bestätigen sich die Vermutungen der beiden, daß einiges wirklich nicht in Ordnung sein kann.
Ein gefangen gehaltener Gott versucht Klarheit zu bringen: Der berühmte Wissenschafter für vergleichende Fleischphysik Dr. Liedermacher (Nobelpreis für die Theorie der todlosen Welt) ist nicht schon lange tot, wie Gunda und Fritz denken, sondern lebt durch Überschreitung von Vergessensschwellen in anderen Universen parallel weiter. Die Nachfrage nach geklonten prominenten Menschen in den Paralleluniversen ist so groß, daß Dr. Liedermacher gemeinsam mit dem Hotelbesitzer Kapitän Henri Clews diese Marktlücke füllt und das Schloß hinter der Fassade zur Menschenfabrik umgerüstet hat. Arglose Touristen werden als Fleischbasis zur Herstellung von dutzenden Mozarts, hunderten Hölderlins und jeder Menge Schillers benützt.
Dem Dichter Ulf kommt die Aufgabe zu, durch die Kraft seiner Poesie dem Cyber-Spuk ein Ende zu bereiten.
6 D 12 H
Sprechtheater - Schauspiel
Uraufführung: 21.9. 1996 Steirischer Herbst (Schauspielhaus Graz)