TURRINI, Peter

DIE BÜRGER

Ich berichte in meinem Theaterstück vorwiegend von Menschen, die nichts mehr verändern wollen, sie haben es zu etwas gebracht: zu Geld und Geltung und zu einer Moral, die es ihnen erlaubt, das Erreichte zu rechtfertigen. Die Sprache, die sie sprechen, dient keinem allgemeinen, sondem ihrem Zweck: sie ist Sachsprache geworden, Fachsprache, Wirtschaftssprache, sie ist ein Selbstbedienungsladen für Berufs- und Partyzwecke. Wenn das Schutzschild solcher Sprachen zerbricht, kommen rohe und ungelebte Gefühle zutage. Die Ärzte, Politiker, Direktoren, die heute Vierzig- bis Fünfzigjährigen, die Erfolgreichen unter ihnen, sie tragen goldene Masken am Tage und flennen vor Hilflosigkeit in der Nacht.

In meinem Stück gibt es zwei Menschen, die aus einer anderen Generation stammen. Einen Alten, bei dem Sprache und Gefühle noch identisch sind, der spricht, wie er denkt und fühlt. Der andere ist ein Junge, der überhaupt nichts mehr sagt. Sein Schweigen ist die Antwort auf das zu Sprachfloskeln erstarrte Reden seiner Umgebung.

Es ist ein Stück über die Kälte der Sprache und der Sprechenden und über ihre Opfer.

4 D    8 H

Sprechtheater - Schauspiel

Uraufführung: 27.01.1982, Volkstheater Wien