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Ödön von Horváths NIEMAND - neu im Thomas Sessler Verlag

Mit der Wienbibliothek betreut der Thomas Sessler Verlag ein bisher unpubliziertes Manuskript von Ödön von Horváth: „Niemand“, ein Stück aus Horváths dramatischem Frühwerk, gelangt erstmals zur Veröffentlichung. Das Manuskript, das sich bis dato in Privatbesitz befand und in keinem der gängigen Nachlassverzeichnisse aufscheint, erwarb die Wienbibliothek im März 2015 bei einer Auktion.

Horváth etabliert in „Niemand“ bereits erkennbar stilistische und thematische Elemente seiner späteren Werke. „Niemand“ – das ist bei Horvath die höchste Gewalt, das erbarmungslose Schicksal – oder einfach: Gott. Ja, dieser „Niemand“ zwingt seine Figuren in eine Existenz hinein, die ihren unentrinnbaren Verlauf nimmt. Wie austauschbar hierbei der oder die Einzelne ist, versinnbildlicht Horváth durch gespiegelte Charaktere: Zwanghaft wiederholt sich das Schicksal. Wenn eine Prostituierte wegen Raubmordes verhaftet wird, steht schon die Nächste vor der Tür und will die frei gewordene Wohnung beziehen – und trägt ironischerweise sogar den gleichen Vornamen wie die soeben Gefasste. Das Setting: Ein Mietshaus, vom gehbehinderten Pfandleiher Lehmann geführt, der selber auch darin wohnt. Über ihm ein ewig die Miete schuldiger Geiger namens Klein, ein Stockwerk unter ihm die Prostituierte Gilda. Und im Erdgeschoß eine Schenke, in der so mancher und so manche seine Zeche schuldig bleibt. Das Drama von Lehmanns Behinderung stellt ein wiederkehrendes Motiv dar. Sei es im Verhältnis zu seinem gesunden Bruder Kaspar, der Lehmann allerdings das Erbe neidet und ihm zuguterletzt auch noch die Frau ausspannt; sei es im Verhältnis zu ebendieser, die einmal zugibt, ihn nur aus ‚Mitleid‘ geheiratet zu haben. Was sich Lehman schärfstens verbittet: Er will kein Mitleid, um keinen Preis. Mit dieser Haltung gelingt es ihm, auch diejenigen Menschen ihm gegenüber ins Unrecht zu setzen, die ursprünglich gute Absichten hegen. Aber erfüllt sich nicht auch darin wieder ein ‚zwangsläufiges‘ Schicksal?

Aufgrund der Erstveröffentlichung genießt „Niemand“ eine Nachschutzfrist von 25 Jahren. Der Thomas Sessler Verlag betreut für die Wienbibliothek die nationalen und internationalen Rechte für alle Werknutzungsarten an „Niemand“ –  mögliche Ur- und Erstaufführungsoptionen sind in Verhandlung.

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Wienbibliothek

 

28.9.2015