MENASSE, Robert

DOKTOR HOECHST - EIN FAUSTSPIEL

Gott war tot, und Faust wurde ein Zombie. Er geisterte durch Deutschstunden und Germanistikseminare und stieg in Theaternächten aus seinem Sarg, um zu deklamieren. In einer säkularisierten Welt hatte es keinen Sinn mehr, einen Pakt mit dem Teufel zu schließen. Dieser Stoff sank also ab in die Geschichte. Es ist nun die Geschichte der Aufklärung in einer abgeklärten Welt: Sie begann in Faust I mit dem Anspruch, die Welt zu verstehen, in ihr Genuss zu finden, und endete in Faust II mit dem Anspruch, die Welt zu beherrschen, in ihr mit aller Gewalt seinen Profit zu machen. Aber die Geschichte blieb an diesem Punkt nicht stehen: dass Gott tot ist und die Marktwirtschaft sozial wurde. Es ist in den letzten zwei Jahrzehnten den besten Ärzten der westlichen Medizin gelungen, Gott wiederzubeleben: als Spender individuellen Trosts und als politische Kategorie. Als Wirtschaftsfaktor und als Energiequelle im Kampf um wirtschaftliche Ressourcen, als Legitimation eines strebend Sich-Bemühens, das das Böse rufen muss, um es bekämpfen zu können. Und schon leben wir wieder im Schatten eines Teufelspakts - oder ist es erneut ein Termingeschäft mit Gott? Der überraschend rüstige Dr. Faust steht in der Küche und rührt um. Er erwartet seine alten Spießgesellen zum Abendessen. Von alten Zeiten zu schwärmen macht jung, wenn man sie wieder ins Recht setzen kann. Da kommt ein Überraschungsgast, und plötzlich muss die alte Frage, die nach der Erlösung, im Licht der Geschichte ganz neu gestellt werden ...

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Sprechtheater - Schauspiel

Besetzungshinweis: 6-8 Personen