RONZONI, Michaela

DAS TRAUERHAUS

Prag. Juni 1914. Ein einschlägiges Etablissement mit gekrönten Spiegeln, Goldschnörkeln, roten Samtvorhängen, Plüschmöbel und intarsiertem Tanzparkett. Trotz des schon leicht räudigen Glanzes durchaus feudal. Inhaber ist Max Stein, alt, herzkrank, aber der unbestrittene Herr seines Unternehmens. Die Damen Ludmilla aus Böhmen, Illonka aus Ungarn und Grete aus Berlin verleugnen ihre Eigenheiten nicht, arbeiten aber zufrieden und erfolgreich in ihrem Metier. Fräulein Edith ist unentbehrliche Wirtschafterin, Nejedli, sorgt als Klavierspielerin für die nötige Auflockerung und Unterhaltung.

Kunden und Besucher sind der Grabsteinagent Präsident Morè, Dr. Schleißner, Baalboth, ein Kaufmann aus Aussig und schließlich Oskar, der Schauspieler. Ludmilla ist ihm völlig verfallen. Die Geschäfte gehen gut, das Etablissement ist Zuflucht und Heim für gesellschaftsmüde Herren, die sich dort in jeder Hinsicht entspannen können. Nicht einmal die Nachricht von der Ermordung Franz Ferdinands vertreibt die Gäste.

Das Unheil kündigt sich an, als Max Stein sich von seiner schweren Herzkrankheit nicht mehr erholen kann und man ihn in seiner Kanzlei tot auffindet. Die Damen sind entsetzt, verzweifelt und haben nur einen Wunsch: Sie möchten „Herrn Maxl“ würdig aufbahren. Die Auflösung des Unternehmens ist schon zu ahnen.

Man bespricht, ob der Jude Max Stein nach christlichem Ritus bestattet werde soll, Edith, Illonka, Ludmilla und Grete versuchen, so würdig wie möglich dem Toten die letzte Ehre zu erweisen. Sie haben den Katafalk mit Palmen und Lorbeeren umstellt, die Glühbirnen verhüllt, die Amoretten über den Spiegeln in schwarze Negligés gehüllt, Edith arrangiert mit Hingabe die Blumen auf dem Sarg. Im zufälligen Besucher Moré finden sie endlich den Mann, der die Totenrede halten soll. Sogar Nejedli, der Pianist, wird angehalten, etwas Passendes zu spielen. Es fällt ihm aber nur die Barcarole ein, das Lieblingslied von Max Stein.

Das Leben geht weiter, das Haus ist wieder geöffnet, aber die Gäste werden nicht mehr kommen. Es hat seinen Zauber verloren und die politischen Verhältnisse verlangen nach ehrsamen und vaterlandstreuen Bürgern. Moré kassiert bei den Mädchen noch ab, er verspricht einen pompösen Grabstein. Die letzten Worte hat Oskar, er erklärt: „Die Geschichte des altehrwürdigen Hauses in der Gamsgasse endet hier. In dem paradoxen Augenblick, wo Herr Maxl im Großen Salon auf der Bahre lag, hat sich das Schicksal des Etablissements erfüllt.“

4 D    6 H

Sprechtheater -